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Brückengänger: Stefan POKRANDT ――Vom JDZB-Japanischkurs zum Sales Manager in einem japanischen Unternehmen

Das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB) startete 1986 mit seinem Japanischkursangebot. 2001 wurde die Methodik „Japanisch als Fremdsprache mit integrativ-kommunikativen Schritten“ (JaFIX) eingeführt. Bislang haben unzählige Interessenten die Kurse besucht. Einer unter ihnen ist Stefan POKRANDT, der sagt: „Wenn ich ins JDZB, fühle ich mich wie zu Hause.“ Als Area Sales Manager der Kirin Europe GmbH arbeitet er derzeit mit Hochdruck daran, den Marktanteil der Marke Kirin Bier in Deutschland und Europa zu erhöhen. Unsere Kollegin KIRIZUKI Emi hat ihn interviewt.

Stefan Pokrandt im innenhof des JDZB

Anlässlich des 160sten Jubiläums japanisch-deutscher diplomatischer Kontakte stellen wir – und auch unsere Freunde und Partner – in der Rubrik „Brückengängerinnen und Brückengänger“ Menschen aus beiden Ländern vor, die die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern mit Leben erfüllt haben oder noch erfüllen. In einer gemeinschaftlichen Publikation der Japanisch-Deutschen Gesellschaft Tōkyō und des JDZB „Brückenbauer – Pioniere des japanisch-deutschen Kulturaustausches“ (2005, IUDICIUM Verlag) wurden bereits viele Menschen gewürdigt, welche die deutsch-japanischen Beziehungen aktiv gestaltet haben. Hier knüpft diese Rubrik an, die wir auf Initiative von SEKIKAWA Fujiko (Leiterin Sprachendienst JDZB) gestartet haben. Neben berühmten Persönlichkeiten werden auch weniger bekannte Personen vorgestellt. Seien Sie gespannt!

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„Kon‘nichiwa! Kirin Bīru no POKRANDT desu!“
Herr Stefan POKRANDT, den ich im Oktober letzten Jahres in Vorbereitung auf die Eröffnung der „Sake-Week“ im Rahmen der neuen „Open-Week-Veranstaltung“ im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin kennengelernt habe, spricht nicht nur fließend und akzentfrei Japanisch, sondern ist durch seine Art und sein Auftreten sofort als „großer Japan-Liebhaber“ zu erkennen. Ich war sehr erfreut, als ich erfuhr, dass er ein ehemaliger Teilnehmer der Japanischkurse bei uns im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB) war! Er sagte: „Wenn ich ins JDZB komme, fühle ich mich wie zu Hause. Es hat alles hier begonnen.“
Herr POKRANDT (Jahrgang 1988) besuchte ab seinem 17. Lebensjahr zwei Jahre lang einen Japanischkurs im JDZB (Grundstufe 1 für Anfänger in 2006 bis Mittelstufe 1 in 2009).
Als Area Sales Manager der Kirin Europe GmbH arbeitet er derzeit mit Hochdruck daran, den Marktanteil der Marke Kirin Bier in Deutschland und Europa zu erhöhen. Ich habe ihn u. a. über seine Erfahrung mit der japanischen Sprache und über seine Arbeit in einem japanischen Unternehmen befragt.

Wodurch wurde Ihr Interesse an Japan geweckt?
Ich war schon als kleines Kind von Asien fasziniert. Zwischendurch hat sich durch den popkulturellen Einfluss von Japan insbesondere dieses Land als besonders reizvoll herauskristallisiert. Ich glaube es gibt in meiner Generation fast niemanden, der nicht mal auf den Schulhof „Pokemon“ mit seinen Freunden gespielt, in der „Banzai!“ geblättert oder nach der Schule „Dragon Ball“ im Fernsehen angeschaut hat.

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Shadowing-Uebung
Beim Doppeln bei der PDL-Übung sitzt die Lehrerin hinter dem Kursteilnehmer und erzählt ihm etwas auf Japanisch. © JDZB

Warum haben Sie sich für einen Japanischkurs am Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin entschieden?
Im vorhin erwähnten Magazin „Banzai!“ gab es einmal einen Japanischkurs, der sich über ca. zehn Ausgaben erstreckt hatte. Neben den Mangas dort habe ich ein ungeahntes Interesse für diese Rubrik entwickelt. Es ging sogar soweit, dass ich im Alter von 15 Jahren fast meine kompletten Sommerferien nur damit verbrachte, Kanji zu lernen und so gut es ging Texte zu lesen. Ich merkte aber schnell, dass ich, um die Sprache richtig zu beherrschen, einen Unterricht besuchen musste. Der Sprachkurs im JDZB hat mich damals damit überzeugt, dass von Anfang an viel Wert auf Sprachpraxis und eigenständiges Sprechen gelegt wurde; etwas, dass mir die „Banzai!“ nie hätte vermitteln können.

Wie hat Ihnen der Japanischkurs am Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin gefallen? Was waren für Sie persönlich die Besonderheiten dieses Kurses?
Der Kurs war großartig. Bevor ich den Kurs belegt habe, war mir nicht klar wie wichtig es ist, von Anfang an, möglichst mit Muttersprachlern als Lehrer*innen, zu sprechen, um Sprachpraxis zu entwickeln. Damals hatte ich in der Schule noch Lateinunterricht, aber diese Sprache gibt es nur noch auf dem Papier. Das hat mir keinen Spaß mehr gemacht, weshalb ich den Kurs abgewählt habe und dann immer bis nach Dahlem zum JDZB gefahren bin.

Besonders interessant fand ich das Doppeln bei der PDL -Übung. Ein Schüler trägt in mehreren Etappen Masken und hört bzw. spricht nach, was die Lehrer*innen sagen. Obwohl mir diese Praxis damals etwas merkwürdig vorkam, muss ich sagen, dass es keinen besseren Weg gibt, sich an die Melodie einer Sprache zu gewöhnen.
Des Weiteren hat der Kurs auch in den jeweiligen Stufen parallel auf den japanischen Sprachtest JLPT vorbereitet. Ich war in der Lage, die Grundstufen recht schnell zu bestehen und auch die höheren Stufen gingen mit etwas Übung recht leicht von der Hand. Als ich dann mit dem Studium der Japanologie nach der Schule begann, war ich bereits gut genug, um viele Kurse zu überspringen. Dadurch konnte ich dort auf dem Level ansetzen, auf dem ich zu diesem Zeitpunkt war und weiter an meinem Spracherwerb arbeiten. Dies war dank des guten Japanischunterrichts möglich, den ich im JDZB bekommen habe.

Wie hat sich Ihre Beziehung zu Japan seither entwickelt?
Ich habe versucht jedes Mal, wenn ich in Japan war, das Beste aus meinen teilweise kurzen Aufenthalten dort zu machen. 2012 habe ich zum Beispiel während meines Auslandsjahres an der International Christian University (ICU) in Tōkyō an einem Volunteering zum Wiederaufbau der verwüsteten Gebiete in Nordosten Japans nach dem großen Erdbeben von 2011 teilgenommen. Zusammen mit japanischen und ausländischen Studierenden haben wir dort, im Rahmen unserer Möglichkeiten, mit angepackt, um die betroffenen Gebiete um Rikuzen-Takata wiederaufzubauen.
Während meines Masterstudiums an der Sophia-University in Tōkyō habe ich die Gelegenheit bekommen, beim Fernsehsender NHK in einem Fernsehsprachkurs für Deutsch mitzuwirken – „Terebi de Doitsugo“ (Deutschlernen durch Fernsehen). Dort habe ich als Muttersprachler Sprachübungen mit einer bekannten Schauspielerin, die in der Sendung Deutsch lernte, durchgeführt und u. a. an Diskussionen teilgenommen. Das Programm wurde 2015 das letzte Mal ausgestrahlt. Ich schätze, mich wird jetzt niemand mehr kennen. Aber wenn das Programm damals den einen oder anderen Zuschauer oder die eine oder andere Zuschauerin zum Deutschlernen gebracht oder sie in diesem Vorhaben unterstützt hat, freut mich das natürlich.

Was können Sie uns über Ihren Beruf erzählen? Sie arbeiten seit Ihrem Universitätsabschluss für ein japanisches Unternehmen. Wie ist es dazu gekommen? Was macht den Reiz aus, in einem japanischen Unternehmen zu arbeiten?
Hierzu muss ich sagen, dass ich mich stets etwas schwergetan habe, Arbeit zu finden, da ich außer meinen Sprachkenntnissen nach der Uni nicht viele Qualifikationen mitbrachte. Das Schöne an japanischen Firmen ist die Einstellung, dass neue Angestellte während der Arbeit ausgebildet werden – „On-the-Job Training“. Während deutsche Firmen meistens dazu tendieren, neue Angestellte nach ihrem branchenspezifischen Vorwissen und Qualifikationen einzustellen, erhält man bei japanischen Firmen auch dann eine Chance, wenn man zeigen kann, dass man sich wirklich einbringen möchte. Dass ich letztendlich in der Lebensmittelbranche gelandet bin, war eher zufällig, aber mittlerweile fühle ich mich dort sehr wohl und auch die Arbeit als Sales Manager hat mir sehr zugesagt.
Der Reiz von japanischen Firmen liegt für mich darin, dass sehr viel Wert auf Qualität und Service gelegt wird. Ich kann es zwar nicht wirklich vergleichen, weil ich noch nie für eine deutsche Firma gearbeitet habe, aber ich denke, dass sich japanische Firmen viel Mühe geben, den Kundenwünschen gerecht zu werden, etwas, dass ich bei einigen deutschen Dienstleistern zuweilen vermisse.

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Stefan Pokrandt mit dem Team Kirin Europe GmbH
Stefan Pokrandt mit dem Team Kirin Europe GmbH
Foto zur Verfügung gestellt von Herrn Stefan Pokrandt

Gibt es Kulturschocks beim Vergleich des japanischen und des deutschen Arbeitsmarktes? Oder im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit japanischen Kolleginnen und Kollegen?
In Japan werden nach wie vor noch relativ viele Überstunden gemacht.
Die japanischen Expats in Deutschland versuchen sich an die hiesigen Gepflogenheiten anzupassen, aber je nach Branche und Firma müssen sie ab und zu die einen oder anderen Überstunden machen. Natürlich gibt es in deutschen Firmen auch Überstunden, aber ich bin erstaunt, wie tolerant meine (auch bisherigen) japanischen Kollegen damit umgehen oder wie niedrig die Schwelle für Überstunden bei meinen bisherigen japanischen Kollegen ist. Ich habe eigentlich nie das Gefühl, dass ich gezwungen werde länger als nötig zu arbeiten. Manchmal ertappe ich mich sogar selbst, dass ich länger bleibe, wenn es Wichtiges zu tun gibt. Außerdem sagen meine japanischen Kollegen immer: „Ich werde dir helfen, wenn du etwas brauchst.“ In japanischen Unternehmen sind die Aufgaben eher „unsere“ Aufgaben als „ihre“ oder „meine“. Diese Art des Gruppengefühls ist wirklich sehr einzigartig.

Was interessiert Sie im Moment in Bezug auf Japan am meisten?
Berufsbedingt wäre das die japanische Küche. Diese hat zurecht seit einigen Jahren den Status des immateriellen Weltkulturerbes. Bei der japanischen Küche geht es nicht nur um bloße Nahrungsaufnahme. Es kommen viele Rituale beim Essen daher. Vor dem Essen sagt man „Itadakimasu“ und nach dem Essen „Gochisōsamadeshita“. Jede Komponente hat auf dem Tisch seinen vorgesehenen Platz. Im Restaurant gibt es auch Regeln, was zuerst bestellt bzw. gegessen wird, und jede Zutat wird sehr streng ausgewählt. Es wird auch viel Wert daraufgelegt, den reinen Geschmack jeder Zutat selbst zum Vorschein zu bringen und nicht einfach dem Essen durch das Hinzufügen von Zusätzen Geschmack zu verleihen. Ich denke, wer sich für japanische Küche interessiert, kann viel über japanische Kultur lernen.

Gibt es ein japanisches Sprichwort, das Sie besonders mögen?
In den Grundstufenkursen des JDZB lernte ich jede Woche ein neues Sprichwort. Besonders gefallen hat mir das Sprichwort „Senri no Michi mo Ippo kara“, was auf Deutsch etwa lauten würde „Eine Reise von Tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ Ob Studium oder Arbeit, jeder fängt doch klein an.

 

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Stefan Pokrandt und Emi Kirizuki
Stefan Pokrandt und die Autorin im JDZB, fotografiert mit Selbstauslöser, Dezember 2021

Haben Sie eine Botschaft für junge Menschen, die Japanisch lernen oder in Zukunft in einem japanischen Unternehmen arbeiten möchten?
Ich kann nur wärmstens empfehlen, sich einen Tandempartner oder eine Tandempartnerin zu suchen. Das ist ein Muss, wenn man außerhalb des Unterrichtsraums Japanisch lernen will. Außerdem ist es eine gute Gelegenheit, nicht nur selbst Japanisch zu lernen, sondern auch dem Tandempartner oder der Tandempartnerin etwas über Deutschland zu erzählen, damit er oder sie Deutschland besser kennenlernt. Die Tandempartner sind nicht nur zum Lernen der Sprache da, sondern sie werden zu neuen Freunde. Also: Versucht es!

Nach dem Interview
„Das Schöne an japanischen Firmen ist die Einstellung, dass neue Angestellte während der Arbeit ausgebildet werden.“ – Dem kann ich nur zustimmen. Als ich frisch von der Uni kommend angestellt wurde, wurde mir alles beigebracht: Angefangen damit, wie ich mich am Telefon zu melden habe, bis hin zu den kleinsten Abläufen. Daran musste ich denken, als ich Herrn POKRANDT interviewt hatte. Herr POKRANDT ist übrigens ein Ramen-Liebhaber. Ich hätte gerne mehr darüber erfahren. Vielleicht beim nächsten Interview?!

 

Kirizuki

KIRIZUKI
Emi

Profil der Autorin/des Autors

Nach ihrem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hiroshima fand sie eine Anstellung, siedelte dann nach England über und seit 2005 lebt sie in Berlin. 2011 fing sie als Assistentin der Stellvertretenden Generalsekretärin des JDZB an. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet und hat zwei Söhne. Hobbys sind Kochen, Lesen und Gärtnern. Für 2022 hat sie sich zum Ziel gesetzt, gesund zu leben und Ordnung zu halten.