„Herbstlied“ erklang im Frühsommer

Am 9. Juni fand das erste Mal, seit Beginn der Corona-Krise vor einem Jahr und fünf Monaten, wieder ein Konzert im JDZB statt. Es wurde live gestreamt. Im Blog-Beitrag gibt die stellvertretende Generalsekretärin KIYOTA Tokiko die Ereignisse dieses denkwürdigen Tages, vor und hinter den Kulissen, wieder.

Endlich – nach siebzehnmonatiger Pause – konnte im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB) am 9. Juni wieder ein Konzert gegeben werden: „HERBSTLIED 秋の歌“. Es handelte sich um ein Kammermusikkonzert mit sechs internationalen Mitgliedern der Jungen Deutschen Philharmonie (JdPH). Der Konzerttitel „HERBSTLIED 秋の歌“ lässt vermuten, dass das Konzert ursprünglich für den vergangenen Herbst geplant gewesen war und auf Juni dieses Jahres verschoben worden ist. Dem ist aber nicht so: Vielmehr haben die jungen Interpreten HOSOKAWA Toshios „Herbst-Lied für Klarinette und Streichquartett“ zum Mittelpunkt ihres Konzerts gewählt und um dieses Stück herum das Programm gestaltet.

Auf Initiative der Werner Reimers Stiftung in Bad Homburg findet seit 2016 die Konzertreihe der Jungen Deutschen Philharmonie zum deutsch-japanischen Austausch statt. Die Idee ist, junge Musikerinnen und Musiker zu animieren, sich an Werken zeitgenössischer japanischer Komponisten zu versuchen, die in Deutschland selten zu hören sind; dadurch können diese Werke einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Seit 2017 organisiert und veranstaltet das JDZB den Konzertabend in Berlin; dieses Jahr war es bereits die vierte Veranstaltung in dieser Reihe. Bislang wurden Werke von TAKEMITSU Tōru, YUN Isang, HOSOKAWA Toshio, KISHINO Malika, FUJIKURA Dai, HISAISHI Joe u. a. aufgeführt, wobei aus Rücksicht auf das Publikum, das nicht mit zeitgenössischer Musik vertraut ist, die japanischen zeitgenössischen Werke mit klassischer Musik von BEETHOVEN oder MOZART kombiniert wurden, oder auch mit Werken deutscher zeitgenössischer Komponisten. Jedes Jahr wurde etwas Neues ausprobiert. Als Mitglied im Organisationsteam konnte ich jedes Jahr dem Konzert beiwohnen und von Herzen genießen. Da das JDZB den Dialog und den Austausch zwischen Japan und Deutschland sowie zwischen Asien und Europa fördern möchte, ist uns das Publikumsfeedback sehr wichtig. Deshalb haben wir nach jedem Konzert einen kleinen Empfang im Foyer ausgerichtet, bei dem sich die Künstlerinnen und Künstler mit dem Publikum austauschen konnten.

 

Klarinette Solo

„Turtle Totem for Clarinet“ (FUJIKURA Dai) gespielt von Joshua DAHLMANNS 

Die Planung für das diesjährige Konzert am 9. Juni fand inmitten der anhaltenden COVID-19-Pandemie statt. Die für Kulturprogramme zuständigen Kolleginnen mussten sich ständig der sich ändernden Pandemiesituation sowie den Berliner Verordnungen anpassen. Würden die Interpreten ins JDZB kommen können? Was, wenn sie nicht reisen dürfen? Darf das JDZB Publikum ins Haus lassen? Sie  sahen sich immer wieder mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Da eine berufsbedingte Reise erlaubt war, nahm man die Anreise der Interpreten als gesichert an, so dass daraufhin die Entscheidung für ein Livestreaming des Konzerts ohne Publikum gefällt wurde. Erst dann konnten das Kultur-Team und ich aufatmen. Die Aufführung am 9. Juni war grandios! Die wenigen Anwesenden im Saal haben für 200 Menschen – so viel Plätze hat der JDZB-Saal – applaudiert, bis die Hände schmerzten! Das Programm war meines Erachtens genial aufgebaut: Zwischen den vier Sätzen von MOZARTS Klarinettenquintett A-Dur KV 581 wurden zeitgenössische Werke von NISHIMURA Akira, HOSOKAWA Toshio und FUJIKURA Dai eingebettet. Für diejenigen, die am Tag des Konzerts nicht die Liveübertragung verfolgen konnten, haben wir einen Mitschnitt auf den YouTube-Kanal des JDZB gestellt.

 

                                  

Musiker vor der Bühne

Virtueller Applaus für die maskierten Musikerinnen und Musiker

 

Bild mit Organizatorn

Frauenpower: Chefinnen und Organisatorinnen der JdPH und des JDZB

Im vergangenen Jahr hat das JDZB frühzeitig mit der Verlagerung seiner Tagungsprogramme in den digitalen Raum begonnen. Wenn man die Zeitverschiebung einkalkuliert, können Interessenten aus Japan und weltweit an den digitalen Veranstaltungen teilnehmen. Digital ist es auch einfacher, viel beschäftigte Persönlichkeiten als Sprecherin oder Sprecher zu gewinnen. Ein digitaler Austausch kann zwar den physischen Austausch nicht vollständig ersetzen, aber es ist wahrscheinlich, dass wir auch nach der COVID-19-Pandemie digitale Technologien vermehrt einsetzen werden.

Allerdings hatte ich selbst das Gefühl, dass sich kulturelle und künstlerische Veranstaltungen – anders als Diskussions- und Vortragsveranstaltungen – für den digitalen Raum nicht eignen, denn man möchte doch ein Kunstwerk im Original sehen und die Musik live hören, um das künstlerisch Kreative erleben und genießen zu können. Doch erfreulicherweise konnten wir dieses Konzert in einer hervorragenden Tonqualität aufnehmen und streamen. Vielleicht ist die digitale Übertragung doch eine vielversprechende Alternative, wenn man an einen bestimmten Ort gebunden oder die Kapazität des Saals beschränkt ist. Liebe Leserinnen und Leser, was meinen Sie? Ich freue mich über Ihre Einschätzungen.

Text: KIYOTA Tokiko, Stellvertretende Generalsekretärin
Übersetzung: JDZB

Coverbild: MOZARTS Klarinettenquintett. Mikrofone waren für das Live-Streaming unerlässlich.