Brückengänger: MITANI Nobuhiro - veranstaltet in Berlin einen Austausch „der besonderen Art“

Heute möchte ich Ihnen MITANI Nobuhiro vorstellen – eine Person, die man einfach nicht unerwähnt lassen kann, wenn es um den Austausch zwischen jungen Menschen aus Japan und Deutschland in der Hauptstadt Berlin geht!

Anlässlich des 160sten Jubiläums japanisch-deutscher diplomatischer Kontakte stellen wir – und auch unsere Freunde und Partner – in der Rubrik „Brückengängerinnen und Brückengänger“ Menschen aus beiden Ländern vor, die die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern mit Leben erfüllt haben oder noch erfüllen. In einer gemeinschaftlichen Publikation der Japanisch-Deutschen Gesellschaft Tōkyō und des JDZB „Brückenbauer – Pioniere des japanisch-deutschen Kulturaustausches“ (2005, IUDICIUM Verlag) wurden bereits viele Menschen gewürdigt, welche die deutsch-japanischen Beziehungen aktiv gestaltet haben. Hier knüpft diese Rubrik an, die wir auf Initiative von SEKIKAWA Fujiko (Leiterin Sprachendienst JDZB) gestartet haben. Neben berühmten Persönlichkeiten werden auch weniger bekannte Personen vorgestellt. Seien Sie gespannt!

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Ich selbst bin 2012 zusammen mit meinem japanischen Partner nach Berlin gezogen, um meine Stelle im Projektmanagement des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin (JDZB) anzutreten. Bei meiner Suche nach Veranstaltungen mit Japanbezug im Netz bin ich ohne Umwege sofort auf die „Anko-Kai“ gestoßen – ein wahrlich „merkwürdiger“ Ort, an dem Japanerinnen und Japaner und Deutsche zusammenkommen. Ursprünglich sollte wohl besonders der Austausch zwischen Homosexuellen im Mittelpunkt stehen, inzwischen steht die „Anko-Kai“ aber für einen Ort, an dem „Berliner Japanerinnen und Japaner“ mit den verschiedensten Hintergründen und Deutsche mit Interesse am Austausch mit Japanerinnen und Japanern auf vielfältige Weise in Kontakt kommen können. Aus Anlass der Kolumne „Brückengängerinnen und Brückengänger“ habe ich Mitani Nobuhiro – kurz einfach Nobu – interviewt, den wohl ohne zu übertreiben JEDE junge Japanerin und JEDER junge Japaner in Berlin kennt oder kennenlernen sollte.

Also, wer bist Du und warum bist Du überhaupt nach Berlin gezogen?
Ich wurde am 6. Februar 1979 in Kōbe geboren, lebe seit 2006 in Berlin und arbeite als Restaurantleiter, zeitgenössischer Tänzer, Illustrator und Fotograf. 2010 habe ich einen deutschen Mann, meinen jetzigen Partner, kennen­gelernt – wir haben geheiratet und leben zusammen.
Warum ich eigentlich nach Deutschland gekommen bin? Nun, als ich noch in einem Teeladen in Frankreich arbeitete, hatte ich 2004 einen Streit mit meinem Chef und da schleuderte ich ihm die deutlichen Worte „Je vais à Berlin alors je démissionne! (Ich kündige, weil ich nach Berlin gehe!)“ entgegen – so einfach war das.
Seit 2010 organisiere ich die „japanische Schwulenparty“ mit dem Namen „Anko-kai“.

Nobuhiro Mitani 01

 

Nobue & Parisienne Sasazuka © Alberto Granzotto

Wie kam es eigentlich zur Gründung der „Anko-Kai“?
Angefangen hat alles damit, dass ich es nicht mochte, wie Asiaten in der Berliner Schwulenszene immer in einen Topf geworfen wurden. Außerdem hatte ich zu der Zeit gerade keinen Freund.
Ich werde oft gefragt, wie es denn zum Namen „Anko-Kai“ kam, er hat aber keine besondere Bedeutung und kam mir einfach so mal in den Sinn. Dass unsere Party in einem polnischen Verein mit dem etwas ironischen Namen „Club der polnischen Versager“ stattfindet, hat auch einen einfachen Grund: ein Freund von mir hat dort zufällig ein Konzert gegeben und ich fand den Ort so gut, dass wir da hängenblieben.* Dass das 10 Jahre so gehen würde, das hätte ich damals nicht gedacht!
Ich kann es gar nicht glauben, dass inzwischen schon 10 Jahre vergangen sind. Aber ich freue mich immer noch über jede neue Begegnung und jedes einzelne „Happening“ – und ich werde nicht müde werden, die Stimmung in der schwulen und japanischen Community in Berlin weiter anzuheizen.
*inzwischen findet die „Anko-Kai“ im „DAS KAPiTAL“ statt.

Während der „Anko-Kai“ gibt es auch jedes Mal eine „Showtime“. Was für „Shows“ sind das genau?
Die „Anko-Kai“ findet einmal im Monat statt und es gibt immer auch eine „Showeinlage“ – das können verschiedenste „Performances“, Live-Konzerte, Modeschauen, Karaoke und und und sein. Wir haben manchmal sogar auch schon „Pole Dance“ gemacht. Weil wir das Ganze als „japanische Schwulenparty“ aufgesetzt haben, gibt es oft auch eine Drag Show. Aber im Grunde genommen ist nichts unmöglich. Es ist nicht leicht, ständig neue Ideen zu entwickeln, aber durch Networking, Headhunting auf der Straße oder durch Empfehlungen von Gästen ergibt sich immer etwas Neues. Im schlimmsten Fall, wenn sich niemand findet, dann tanze ich eben einfach selbst. Meine Grundeinstellung ist, dass ich allen Menschen gegenüber offen bin. Als offen schwul lebender Mann bekomme ich oft auch viele Fragen von Gästen gestellt – das macht mir nichts aus und ich beantworte gerne alle Fragen geduldig wie eine Wahrsagerin am Straßenrand.

Nobuhiro Mitani 02

Nobue & Violet Izumi © Alberto Granzotto

Was für Erwartungen hast Du für einen erfüllten japanisch-deutschen Austausch?
Nachdem mein Partner Deutscher ist, werden wir wohl auch weiterhin in Berlin bleiben. Jetzt lebe ich schon so lange hier, da wäre es doch schade, wenn ich nicht wie ein „weiser Stadtältester“ weiterhin Partys für junge Japanerinnen, Japaner und Deutsche veranstalten würde und ihre Energie in mich aufsaugen würde. Wenn ich so einen Beitrag zum „Lebensgefühl Berlin“ leisten kann, freut mich das sehr.
Wegen der Covid-19-Pandemie gab es über ein Jahr keine „Anko-Kai“ mehr. Ich freue mich sehr, dass wir die „Anko-Kai“ endlich wieder mit Leben erfüllen können! Ich durfte so viele verschiedene Menschen kennenlernen und inzwischen gibt es sogar Gäste, die extra von weit entfernten Ortschaften zu unserer Party kommen. Ich würde mir wünschen, wir könnten sämtliche Grenzen zwischen Generationen, Rassen und Geschlechtern überwinden. Und wenn wir auch in Japan eine ähnliche Party veranstalten könnten, dann würde mich das noch glücklicher machen.

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So, das war sie also, die kurze Vorstellung meines Freundes Nobu und seiner „Anko-Kai“ – haben Sie sich ein ungefähres Bild machen können? Es ist einfach ein sehr geheimnisvoller Ort, der schwer mit Worten zu beschreiben ist. Ich bin richtig froh, dass wir wieder zusammen „Party machen“ können. Wenn Sie Lust haben, machen Sie doch einfach mit! Wie ein Sprichwort besagt: Ein Mal sehen ist besser als hundert Mal hören!

Berlin, September 2021

 

Sven Traschewski

 

 

Der Autor: Sven Traschewski – Brückengänger
Sven Traschewski hat 2006 seinen Magisterabschluss in den beiden Hauptfächern Japanologie und Sinologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg gemacht. An der Mie University in Tsu/Präfektur Mie hat er ein Jahr, an der Nankai University in Tianjin/China hat er zwei Jahre als Austauschstudent verbracht. 2006 bis 2010 hat er vier Jahre im Rahmen des JET-Programms als Koordinator für Internationale Beziehungen (CIR) in der Abteilung für Internationale Beziehungen der Stadt Sapporo gearbeitet. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hat er von 2011 bis 2012 erst bei der japanischen Firma DNP Europa GmbH (Dai Nippon Printing) in Düsseldorf gearbeitet, seit 2012 arbeitet er am Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB) als Referent für Austauschprogramme (German-Japanese Young Leaders Forum) und Tagungen.

 

 

 

Das Interview hat der Autor auf Japanisch geführt.
Die Übertragung ins Deutsche  stammt ebenso vom Autor.